Friedhof der verbrauchten Wörter I

Im Friedhof der verbrauchten Wörter betten wir Wörter zur Ruhe, die sich abgenutzt haben. Sie begegnen uns auf Schritt und Tritt, sind häufig falsch eingesetzt oder, noch schlimmer, bereits zur Worthülse verkommen. Ich schreibe wir, weil sich unter LinkedIn zahlreiche Gleichgesinnte eingefunden haben, um verbrauchten Wörtern die Ehre zu erweisen. Vor und nach dem Jahreswechsel beerdigten wir:

#Kompetenz, #kompetent

  • weil man sowieso keinen inkompetenten Berater wählt
  • weil Kompetenz einfliessen lassen zwar gut tönt, aber nix sagt
  • weil fachlich kompetent den weissen Schimmel zum Erröten bringt

Viel wirkungsvoller ist, zu sagen was Sache ist. Zum Beispiel:

  • Ich bin eine erfahrene, vielseitige Texterin und kann sie gut beraten; statt: Ich bin sprachkompetent und erfahren.
  • Sie haben vielleicht ein glückliches Händchen bei der Wahl von freischaffenden Kreativen, statt: Sie sind auf Vermittlungen spezialisiert
  • Dass Sie mit Klebstoffen und Schmiermitteln bewandert sind seit frühesten Berufsjahren und darum sachkundig sind

#Begeisterung #begeistern

Zufriedenheit war gestern, Begeisterung muss her heute. Und zwar von der Kundschaft zum Verkäufer, zur Anbieterin. Das hat mir das Wort verleidet. Obwohl «Geist im Wort» drin ist. Wo ist er geblieben, frage ich mich häufig, wenn mir «Begeisterung» begegnet, insbesondere bei der Kundenbegeisterung.

Als moderne Kundin bin ich dankbar dafür zu bekommen, was ich möchte. Dafür bezahle ich gerne, auch gutes Geld. Darüber hinaus von mir Emotionen zu verlangen, geht zu weit – exgüsi. Stimmen Qualität, Preis und Dienstleistung erzähle ich von selbst im Wirkungs- und Freundeskreis davon. Erst recht, wenn meine Erwartungen übertroffen werden. Das muss genügen, auch im Zeitalter des aktuellen Marketingticks.

Begeisterung auslösen wollen, ist ehrenwert. Bitte von Anfang an durchziehen. Diese Bemühungen spürt die Kundschaft

  • weil sie echt sind

Und was steht am Anfang von allem: Die Idee, das Konzept – gefolgt von der entsprechend geschnürten Marktleistung – dann kann man den Leuten mit Geschichten kommen. So geht das, alles andere «verhebet» nicht, vor allem nicht längerfristig. Apropos: längerfristig meint nicht nachhaltig.

#Nachhaltigkeit #nachhaltig

Zwei seit langem geschundene Wörter.

Meist zum Greenwashing und zur Ablenkung von unliebsamen Tatsachen genutzt.

Denke!

Der Begriff stammt aus der Forstwirtschaft und bedeutet: Man verbraucht nicht mehr, als nachwächst. Eine Behauptung: 99.9% der Unternehmen und Länder sind davon bekanntlich Lichtjahre weg. Wann beweisen wir, dass diese nicht stimmt?

 

4 Kommentare. Leave new

Wie schön! Ein Friedhof für verbrauchte Wörter! Ich bin so froh, dass du diesen ins Leben gerufen hast. So was hätten wir schon lange gebraucht. Und gefällt mir viel besser, als «Unwort» des Jahres…

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Cornelia Aschmann
10. Februar 2022 13:22

Danke Rita – du bist herzlich eingeladen, den Chropf zu leeren bei Bedarf 🙂

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Frau Beatrice Gaudenzi
10. Februar 2022 14:08

Für mich überstrapaziert ist: „ ich gehe davon aus“.
Ich gehe lieber aus und lasse mich ein.

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Cornelia Aschmann
10. Februar 2022 14:15

Oh ja – das ist eine grosse Schwester von «Unter diesen Bedingungen», die noch auf ihre Beerdigung warten. Beides sind distanzierende Floskeln für mich. Du machst das Beste daraus, lese ich – weiter so! 🙂

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